Alles über das Ausbilden neuer Gewohnheiten
Gewohnheiten kann man unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Man sollte sie weder verdammen noch ihnen kritiklos gegenüberstehen. Mit der richtigen Motivation kann man sie aber auch ändern.
Das Marketing und die Wirtschaftswissenschaft sprechen Gewohnheiten unter den Aspekten Konsumverhalten und Produktverhalten an. Dem Management geht es in diesem Zusammenhang um Entscheidungsfreudigkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit. Die Psychologie beurteilt die Gewohnheit als mehr oder weniger festgelegte Art des Denkens, Verhaltens und Fühlens, die zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen eines Lernprozesses durch das Wiederholen einer Reaktion zu einem Muster wurde.
Gewohnheiten sind Verhaltensweisen, die sich regelmäßig wiederholen und oftmals auf unbewussten und unfreiwilligen Vorgängen beruhen. Es sind konditionierte Verhaltensweisen, die sich so stark eingeprägt haben, dass wir ihr Ablaufen oft gar nicht mehr wahrnehmen. Unsere Gewohnheiten sind allgegenwärtig. Viele sind gutartiger Natur oder für das Alltagsleben nützlich, andere wiederum beeinträchtigen unsere Motivation, unser Wohlbefinden oder sogar unsere Gesundheit. Gewohnheiten sind der rationellste Weg, um Routineverrichtungen auszuführen, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen. Ein Beispiel dafür ist das Autofahren, das zwar hohe Konzentration erfordert, bei dem aber auch vieles gewohnheitsmäßig abläuft.
Um Gewohnheiten zu ändern, genügen Vernunft, Motivation und Willenskraft keineswegs. Schon das Verstehen von Gewohnheiten verlangt viel Geistesarbeit.
Das Entstehen einer Gewohnheit ist der Vorgang, bei dem sich ein neues Verhalten verselbstständigt. Wenn Sie unmittelbar nach dem morgendlichen Erwachen zur Zigarette greifen, ja, dann ist das eine Gewohnheit. Wenn Sie unmittelbar nach der Ankunft zu Hause den Drang verspüren, Ihre Laufschuhe anzuziehen und sich raus auf die Straße zu begeben, um etwas für die Fitness zu tun, dann haben Sie ebenfalls eine Gewohnheit angenommen. Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen, während das Annehmen neuer Gewohnheiten sehr viel Mühe kostet. Das liegt daran, dass die bei uns am häufigsten auftretenden Verhaltensmuster buchstäblich in unsere Nervenbahnen eingebrannt sind. Die gute Nachricht lautet: Durch Wiederholung können neue Gewohnheiten geformt und schließlich beibehalten werden.
Wie entstehen Gewohnheiten?
In den letzten Jahren hat sich dank vieler Fortschritte innerhalb der Neurowissenschaften und der Psychologie das Verständnis gegenüber dem Vorgang, wie Gewohnheiten entstehen, verbessert.
Gewohnheiten entwickeln sich, da das Gehirn ständig nach Möglichkeiten sucht, Energie einzusparen. In diesem Sinne wird das Gehirn versuchen, jeden wiederkehrenden Ablauf in eine Gewohnheit umzuwandeln, weil ihm das Endergebnis eine gewollte verminderte Aktivität gestattet: Dies dient also einerseits der Energieersparnis, zumal das Gehirn das energieintensivste Organ des menschlichen Organismus ist. Andererseits dient es der Ersparnis von geistiger Arbeit zugunsten der Handlungsfähigkeit bei wichtigeren - das heißt insbesondere neuen, ungewohnten oder bisher unbekannten - Situationen. Erst durch diese Tatsache wird uns die Entstehung von Gewohnheiten richtig verständlich.
Unsere Welt ist unsicher und schwierig zu meistern - dies galt für unsere Vorfahren in noch stärkerem Maße als für uns heute. Es ist eine enorme Aufgabe, alles um sich herum – und darunter vorrangig das für den Menschen Wichtige - im Blick zu haben. Somit wurden für den Menschen Strategien erforderlich, das Gehirn zu schulen und seine Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Eine dieser Strategien ist das Entwickeln von Gewohnheiten. Die Hände nach bestimmten Verrichtungen zu waschen, vor dem Verlassen der Wohnung in den Spiegel zu sehen, vor dem Überqueren der Straße beide Richtungen zu prüfen: Wir zeigen jeden Tag hunderte von automatischen Verhaltensabläufen, die uns das Leben letztlich leichter machen.
So gesehen ist eine Gewohnheit an sich nichts Negatives - soweit die Grenze zur Zwangshandlung abgesteckt ist. Beim unmittelbaren Nachsehen, ob eine Tür abgeschlossen wurde (zum Beispiel durch Ziehen am Türknauf oder abermaliges Herunterdrücken der Türklinke), handelt es sich um eine uns vertraute Gewohnheit, die wir nicht unbedingt ändern möchten. Ein Kontrollzwang beziehungsweise eine Zwangsstörung wäre es dann, wenn mehrfach und immer wieder geprüft wird, ob die Tür auch wirklich verschlossen ist.
Der dreistufige Vorgang
Um mit neuen Situationen klarzukommen, verwendet das Gehirn anfangs viel Mühe darauf, ein Signal für eine Gewohnheit zu finden, das mit einem bestimmten Verhaltensmuster in Verbindung gebracht werden kann. In der ersten und entscheidenden Phase bildet sich für gleichartige und wiederholt gegebene Bedingungen ein Auslöser heraus, der unser Gehirn dazu bringt, automatisch mit der richtigen Antwort, also einer Gewohnheitshandlung, zu reagieren. Diese Reaktion, die aus einer Abfolge von mehreren Teilhandlungen besteht, für die wir eine Belohnung erwarten, wird nach einer Anfangs- und Lernphase zu einem Routinevorgang. Sie haben durchaus richtig verstanden: Am Ende muss eine Belohnung stehen. Ohne diese Belohnung wird Ihr Gehirn die Handlungsabfolge mit großer Wahrscheinlichkeit nicht für zukünftige Fälle speichern.
Somit können wir von einem dreistufigen Vorgang sprechen: das am Anfang stehende Signal (Stufe 1), das die Reaktion (Stufe 2) auslöst, und die am Ende stehende Belohnung (Stufe 3), die die Wiederholung der Routinehandlung erstrebenswert erscheinen lässt. Dieser Vorgang erhält durch häufige Wiederholung einen automatischen Charakter und bringt schließlich eine Gewohnheit hervor.
Gewohnheiten bestimmen Ihre Wahlmöglichkeiten: Sie schalten den Weckton aus und steigen aus dem Bett oder aber Sie betätigen die Schlummertaste immer wieder; Sie begeben sich ins Fitness-Studio oder aber Sie lassen Ihre Mitgliedschaft verfallen; Sie bezahlen Ihre Rechnungen pünktlich oder aber Sie verlieren den Überblick über Ihre Auslagen; Sie ernähren sich gesund oder aber Sie greifen regelmäßig auf einen Burger zurück. Allerdings gibt es auch noch die hinterlistigen, zwanghaften, selbstzerstörenden und unerwünschten Verhaltensmuster. Denken Sie nur an Zaghaftigkeit, pessimistisches Denken, Kaufrausch, Nägelkauen und das Rauchen. Je eher man sinnlose oder schädliche Gewohnheiten als solche erkennt, desto leichter kann man sie überwinden.
Denjenigen unter Ihnen mit der Motivation, Gewohnheiten zu ändern und neue Gewohnheiten zu entwickeln, sei gesagt: Das Gehirn kennt keine guten oder schlechten Gewohnheiten. Gewohnheiten entstehen immer dann, wenn wir eine Handlung in einem bestimmten Zusammenhang wiederholen. Und Gewohnheiten hören nicht auf, sondern sie werden lediglich ersetzt. Dass gewohnheitsmäßiges Verhalten oftmals unbemerkt abläuft, kann ein Vorteil sein. Der nach Gewohnheit agierende Mensch muss sich bei der Erledigung von Routinevorgängen keine weiteren Gedanken über die Gestaltung seiner Handlung machen.
Rekapitulieren wir: Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen, während das Annehmen neuer Gewohnheiten sehr viel Mühe kostet, denn unsere Verhaltensmuster sind den Nervenbahnen sozusagen eingebrannt. Und: Nur durch Wiederholung können neue Gewohnheiten geformt werden. Wenn Verhalten unter gleichartigen Bedingungen wiederholt wird, verstärkt sich der Zusammenhang zwischen den gegebenen Bedingungen und der Handlung kontinuierlich. Dies verstärkt dann wiederum das automatische Handlungsverhalten unter diesen gleichartigen Bedingungen. Eine Gewohnheit prägt sich aus. Die Merkmale des automatischen Verhaltens sind: Effektivität, Unbewusstheit, Unfreiwilligkeit und Unkontrollierbarkeit
Wie können wir Gewohnheiten ändern oder neu entstehen lassen?
Die neuesten Fortschritte in den Neurowissenschaften und in der Psychologie haben Verfahren aufgezeigt, wie Gewohnheiten geformt werden können, und sie haben uns Werkzeuge an die Hand gegeben, zum Beispiel digitale Tools, Online-Apps und mobile Apps.
Zusammenfassend gesagt, sind Gewohnheiten Routinehandlungen, die einen dreiteiligen Aufbau aufweisen: Signal, Verhalten und Belohnung. Verstehen wir diesen Aufbau, entwickeln wir die nötige Motivation und unterbrechen wir ihn, dann können wir auch die Macht der Gewohnheit brechen – und den Weg zu einer neuen, freiwilligen und für uns vorteilhaften Gewohnheit ebnen.